Hannover I Pressemitteilung der CDU-Landtagsfraktion vom 19. Juni 2024
-Es gilt das gesprochene Wort-
Frau Präsidentin,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
erst im Februar dieses Jahres hat die Justizministerin zuerst gegenüber der Presse verkündet, den Offenen Vollzug in Niedersachsen stärken zu wollen. So nennt sich das, wenn politisch gewollt ist, dass mehr Gefangene in den Offenen Vollzug gelangen. Dabei ist die Geeignetheit eines Gefangenen für den Offenen Vollzug keine Frage des politischen Willens, sondern der Sozialprognose des Individuums. Bereits damals hat die CDU eindringlich davor gewarnt, die Frage der Geeignetheit eines Gefangenen für den Offenen Vollzug zu eine Frage politischer Weichenstellungen zu machen. Wir sind sogar der Meinung, dass die Kriterien für die Geeignetheit zum Offenen Vollzug in einer schwieriger werden Häftlingsklientel – mehr Drogenabhängige, mehr psychisch Erkrankte, mehr Migrationshintergründe – eben nicht eröffnet, sondern strenger gefasst werden müssen.
Begründet wird dieses politisch gewollte Mehr an offenen Vollzug mit zwei Argumenten:
1. Die Haftanstalten sind voll. Das ist allerdings ein absehbares Phänomen gewesen vor dem Hintergrund der sich drastisch wandelnden Gesellschaft. Deswegen haben wir schon 2014 für falsch gehalten, dass die damalige rot-grüne Landesregierung die Haftanstalt Salinenmoor geschlossen hat. Wie sich jetzt zeigt ein skandalöser Fehler, der dem niedersächsischen Justizvollzug an die Grenze der Kapazität gebracht hat.
2. Offener Vollzug solle der Resozialisierung dienen. Allerdings sagen uns die Justizvollzugsbediensteten, Resozialisierung sei deswegen zunehmend ein linkes Märchen, weil die meisten Inhaftierten noch nie sozialisiert waren. Das zeigen im Übrigen auch die Rückfallquoten. Denn nach drei Jahren werden bundesweit 45 % der Inhaftierten rückfällig, in Niedersachsen 50 %. Nach zwölf Jahren liegt die Quote bei nahezu 70 %. Bei den Jugendstrafen sind es in einem Sechs-Jahres-Zeitraum über 80 %.
Angesichts der Videoaufnahmen aus der JVA Meppen, die zeitlich nicht terminiert sind, sehen wir die Grenzen des Offenen Vollzuges. Nachrichten über Drogenkonsum im Offenen Vollzug, aber auch im Regelvollzug häufen sich. Nun waren wir nicht dabei – zum Glück – und wir wissen nicht, welche Substanzen wann in den Flaschen waren, aber Bilder von feiernden, Alkohol trinken Inhaftierten zeigt, dass die Geeignetheit für den Offenen Vollzug offensichtlich nicht bestanden hat. Die Bilder sind skandalös und eine Katastrophe in einer Zeit, in der immer mehr Bürger am Zweifeln sind, ob der Staat die Dinge noch im Griff hat.
Und ich muss sagen, offensichtlich war das hier nicht der Fall, jedenfalls in diesem Teilbereich nicht. Und wir reden ja nicht nur und alleine über Alkoholkonsum, sondern insbesondere auch über das Einschleusen illegaler Drogen in den Knast, welches zum Alltag gehört.
Damit wir uns nicht gänzlich falsch verstehen, Drogenkonsum im Knast ist ein Phänomen nicht der letzten zwei Jahre. Das ist nicht der Grund unserer Aktuellen Stunde. Aber es ist ein Phänomen, welches seit Jahren verharmlost und toleriert wird. Und wir haben jetzt und nicht früher – und jetzt sind Nachrichten in einer Fülle an die Öffentlichkeit gelangt, die das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Staates und in einen wirksamen Strafvollzug zurecht in der Lage sind, massiv zu erschüttern.
Und lassen Sie mich noch zu einer wichtigen Aussage kommen, die Kritik an der Situation im Strafvollzug in Niedersachsen ist keine Kritik am einzelnen Mitarbeiter und an der einzelnen Mitarbeiterin im Justizvollzugsdienst oder in den Justizvollzugsanstalten. Es ist eine Kritik an der Exekutive, diese Zustände zu tolerieren und mit gänzlich falschen Vorgaben in den Justizvollzug zu wirken. Gefordert ist mehr Ordnung und mehr Strenge im Vollzug und weniger Laissez-Faire. Das zieht sich übrigens über verschiedene Landesregierungen.
Wenn wir uns dem Thema Haft in Niedersachsen widmen, dann gehört auch dazu, dass die Gefangenen dort aus gutem Grund sitzen. Gefangene, sondern absolvieren eine Strafe, die in Niedersachsen sogar im Schnitt geringer ausfällt als in einem Großteil der Bundesländer. Nach einer Studie des Max-Planck-Institutes urteilen niedersächsische Richter weniger hart als die in fast allen anderen Bundesländern, ausgenommen Schleswig-Holstein, Sachsen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. In Niedersachsen braucht es also mehr Straftat, um in den Knast zu kommen als beispielsweise in Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Hessen.
Was bedarf es also jetzt in dieser Situation?
1. Mehr Kontrollen – dafür braucht es mehr Personal sagen zu Recht, die Fachverbände der Justizvollzugsbediensteten. Oder eben ein Umsteuern durch weniger Ausführungen, weniger Besuchsmöglichkeiten, weniger Freiheiten. All das ist personalintensiv und kann deutlich eingeschränkt werden. Denn die Rückfallquote wird dadurch, wie wir gesehen haben, nicht besser. Und das ist am Ende der Maßstab, nicht irgendein möglichst netter Vollzug;
2. Eine Drohnenüberwachung für jede Anstalt, um das Einbringen illegaler Drogen über Drohnen zu verhindern;
3. Eine lückenlose Kontrolle der Gefangenenpost, um sogenanntes Knastpapier, also mit psychoaktiven Substanzen getränktes Papier zu erkennen und zu vernichten;
4. Eine bessere Kontrolle der Besucherinnen und Besucher;
5. Höhere Maßstäbe bei der Frage der Geeignetheit für den offenen Vollzug.
Frau Ministerin, bekommen Sie die Situation im Strafvollzug in Niedersachsen wieder in den Griff. Weil wir seit Jahren das Problem sehen. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es verdient in geordneten Verhältnissen zu arbeiten. Herzlichen Dank!