Quakenbrück I Bersenbrücker Kreisblatt vom 01.07.2015
„Horst Köhler hat einmal bemerkt: Politik ist die Betrachtung der Wirklichkeit. Ich füge hinzu: Man muss vor Ort schauen, was wichtig ist“, leitete Jens Gieseke, seit 2014 Europaabgeordneter der CDU, vor den Spitzen aus Stadt und Samtgemeinde seine Antrittsrede ein.
In der Flüchtlingsfrage entzündete sich eine kontroverse Diskussion.
„Wir sind eine bunte europäische Kleinstadt mit vielen Nationen, auch in den Räten“, begrüßte Claus Peter Poppe den EU-Parlamentarier. „Die Türkei, die Niederlande, die frühere UdSSR sind vertreten – und ein MdL aus Italien. Ein Ausgleich der Interessen wird manches Mal robust vorgetragen.“
Quakenbrück sei Europastadt und Mitglied der Hanse gewesen, es gebe lebendige Partnerschaften, das AGQ sei Europaschule. „Wir werden dir nicht den Auftrag mitgeben, Europa zu retten“, deutete Poppe an, dass es um handfestere – lokale – Wünsche gehe.
Jens Gieseke streifte etliche Brennpunkte der EU. Die „Grexit“-Gefahr wachse, Cameron missbrauche das Bürgervotum als Instrument, Frankreich habe Probleme mit Rechten wie Le Pen. Als Mitglied der Ausschüsse für Umwelt, Landwirtschaft und Gesundheit arbeite er für Mittelstand und Arbeitnehmer, für eine „Datenautobahn“ auch im ländlichen Raum und für Institute wie das DIL.
„Wie werden Flüchtlinge vor Ort untergebracht ?“ eröffnete Gieseke eine intensive Diskussion. Für „noch machbar“ hielt Christian Calderone die Situation im Landkreis, verlangte jedoch Solidarität mit den Kommunen: „Flüchtlinge sollten erst nach abgeschlossenem Verfahren zugewiesen werden“. Die EU tue, als sei sie nicht in der Lage, diese zu retten, so Johannes Jordan: „Wie will man handeln ?“ fragte er den Gast.
Andreas Maurer forderte Hilfe direkt in Afrika, dann ebbe der Flüchtlingsstrom ab. „Wir können nicht in fremden Ländern Boote zusammenschießen !“ formulierte er dramatisch und hatte sofort die Mehrheit gegen sich. „Die Schleuser bauen extrem leicht sinkende Plastikschiffe, die muss man vor Ort zerstören“ konterte Gieseke, plädierte für eine Verteilung nach Etats und Einwohnern. „Schwierig“ nannte Gerd Meinecke die Frage nach Schlüssel und Unterbringung. Calderone war strikt dagegen, mit Flüchtlingen Arbeitsmarktprobleme zu lösen, Maurer jedoch dafür.
Poppe wollte die Wogen glätten: „Ich möchte das Zusammenspiel der Kräfte
loben.“ Das Migrationszentrum des Landkreises mit seiner Willkommenskultur sei ein gutes Modell. Hubert Schwertmann versuchte es – erfolgreich – mit Humor, ehe Jens Gieseke gerne noch „Ihrem mediterranen Wochenmarkt“ einen Besuch abstatten wollte. Vergeblich, denn der hatte schon zu.