Osnabrück I Pressebericht der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 20. November 2023, Autor Marcus Alwes
Der Blick hinter die Parlamentskulissen in Hannover macht deutlich: Der Förderzusage des Landes Niedersachsen für das Glasfaser-Projekt „Graue Flecken“ im Osnabrücker Land ist ein monatelanger Gesprächs- und Verhandlungsmarathon vorausgegangen. Am Ende überschlugen sich die Ereignisse sogar.
Rund 28 Millionen Euro werden im Jahr 2024 in einem ersten Schritt aus der Landeskasse bereitgestellt, um für mehrere Tausend Adressen im Kreis Osnabrück den Ausbau des schnellen Internets zu ermöglichen. Es ist eine Gemeinschaftsfinanzierung zusammen mit dem Bund (56 Mio. Euro) und den Kommunen der Hase-Region (28 Mio. Euro). Doch hinter der Beteiligung des Landes am Vorhaben mit dem Arbeitstitel „Grauen Flecken“ stand lange Zeit ein Fragezeichen.
Denn zunächst war im Haushaltsentwurf der Regierung kein Geld für dieses Teilprojekt eingeplant. Im Sommer 2023 rollte deshalb eine erste Protestwelle der Oppositionsparteien, der Osnabrücker Landrätin und zahlreicher Bürgermeister auch auf die regionalen Landtagsabgeordneten von Rot und Grün zu – auf den Sozialdemokraten Guido Pott (Wallenhorst) sowie die Grünen Volker Bajus und Anne Kura (beide Osnabrück).
„Ich wurde mitten im Urlaub erwischt“, erinnert sich beispielsweise Bajus an die Anfänge der Debatte, „die Landrätin war am Telefon …“. Besagte Chefin der Kreisverwaltung ist Anna Kebschull, auch sie gehört den Grünen an. Der Druck auf Bajus und Kura wuchs schließlich von Tag zu Tag. Ähnliche Erlebnisse schildert Guido Pott. Immer wieder flatterten auch bei ihm Protestnoten ins Haus, kritische Telefonanrufe häuften sich. Es war Juli.
Zahlreiche Gespräche der Parlamentarier zum Breitband-Ausbau mit ihren jeweiligen Parteifreunden in der Landesregierung folgten. Woche für Woche. Ebenso Unterredungen mit Ministerialbeamten und allerlei Abgeordnetenkollegen in den regierungstragenden Landtagsfraktionen. Viele davon verliefen eher geräuschlos.
Eine Art stille Diplomatie setzte bei Rot und Grün ein, während die Oppositionsparteien – ihrer Rolle und Aufgabe im Parlament entsprechend – lautstark Kritik übten. „Wir brauchen mehr Druck auf die Landesregierung“, rief beispielsweise Christian Calderone (Quakenbrück) Anfang Oktober für die CDU aus. Unter anderem die Union nutzte jede Gelegenheit, die „Grauen Flecken“ öffentlich zu thematisieren.
Pott und Bajus waren unterdessen dabei, als die Bürgermeister des Landkreises Osnabrück um Tobias Avermann (Bad Laer) und Landrätin Kebschull im September in Hannover auf den für die Digitalisierung zuständigen Wirtschaftsminister Olaf Lies trafen. Ein Gruppenauftritt der Verwaltungsleiter, der offenbar Wirkung zeigte und die Bemühungen der regionalen Abgeordneten unterstützte. Die Bedeutung eines lückenlosen Glasfaserausbaus für die Bürger und die Wirtschaft im Raum Osnabrück wurde während der Unterredung mit Lies noch einmal unterstrichen.
„Alle wollten dasselbe, aber wie organisieren wir das?“ Das sei über Parteigrenzen hinweg die zentrale Frage nach dem wichtigen Treffen am Landtag gewesen, erinnert sich einer der Teilnehmer. „Wie können wir doch noch das Geld auftreiben?“ Spätestens bis Mitte November, wenn die Fraktionen von SPD und Grünen in Klausurtagungen final über den Haushalt 2024 beraten würden, müsse eine Lösung her, stellte nicht nur Guido Pott damals fest.
Das Sammeln der notwendigen Gelder – eines hohen zweistelligen Millionenbetrages – gelang schließlich. Alle noch nicht ausgeschöpften Finanz- und Fördertöpfe des Landes wurden gezielt umgedreht, schilderten die Parlamentarier später. Jeder Euro zählte.
In den letzten Tagen vor der Entscheidung nahm offenbar auch die Zahl der Spitzengespräche zum Glasfaserausbau noch einmal zu. Nach Darstellungen von Abgeordneten steckten zunächst die beiden Kabinettsmitglieder Lies und Gerald Heere (Finanzen) die Köpfe zusammen. Unmittelbar im Anschluss daran sei die Angelegenheit sogar in der niedersächsischen Staatskanzlei auf dem Schreibtisch von Ministerpräsident Stephan Weil gelandet, um dann zu den Fraktionsvorsitzenden Grant Hendrik Tonne (SPD) sowie Anne Kura und Detlev Schulz-Hendel (Grüne) zu wandern.
Das politische Spitzenpersonal des Regierungslagers wurde auf der Zielgeraden komplett involviert.
Die Verhandlungskommissionen beider Fraktionen für den Haushalt tagten schließlich von Montag auf Dienstag in Adendorf im Kreis Lüneburg – bis nach Mitternacht. Es war der frühe Morgen des 14. November 2023, als endgültig der Durchbruch verkündet werden konnte. Auch das Millionen-Paket zum weiteren Glasfaserausbau stand. Die entsprechenden Pressemitteilungen wurden verschickt.
„Wir nehmen weiterhin die grauen Flecken der Digitalisierung auf der Landkarte in den Blick“, wird Anne Kura darin zitiert. „Die vom Landtag bereitgestellten finanziellen Mittel werden die ländlichen Räume stärken“, so Volker Bajus ergänzend.
Guido Pott hielt in seiner Erklärung fest, dass es „nach vielen konstruktiven Gesprächen“ in den letzten Wochen mit „einem enormen finanziellen Kraftakt“ gelungen sei, die Breitbandförderung im vollen Umfang fortsetzen zu können.
Ein monatelanges Tauziehen ging damit zu Ende.